PAN TAU IN DER AKROPOLIS

 

 

Von Hardy Zechs vergeblichen Versuch, dem Schauspieler Otto Simànek ein Denkmal zu stiften.

 

In den dritten Programmen der öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten ist er nicht totzukriegen. Schweigsamer als die Teletubbies, schlägt der freundliche ältere Herr im konservativen dunklen Maßanzug noch immer die Kinder in seinen Bann. Schon vor Jahrzehnten wirkte Pan Tau, verstrickt in die Tücken des Alltags, in höchstem Maße "overdressed". Dass er trotz seines seit längerem wieder aktuellen hochgeschlossenen Einreihers immer noch wie ein liebenswertes, wenn auch zugeknöpftes Fossil wirkt,ist seiner höflichen Gelassenheit, der immer frischen Nelke am Revers und seinem britischen "bowler-hat" zuzuschreiben.

 

Pan-Tau-Märchenfilme spielen immer in der nüchternen, hektischen Welt der tschechischen Kleinfamilien. In deren eifrigem Bemühen um Besitzstandswahrung entpuppen sich die Freundlichkeit, die Höflichkeit und das Beharren des skurrilen Fernsehhelden auf ritualisierten Benimm- und Anstandsregeln als störendes Handicap. Somit befürchtet der Zuschauer immer, dass die Erwachsenen den grauhaarigen Herrn mit seinen antiquierten Umgangsformen ins Altersheim bringen könnten, da er offensichtlich weder in der Lage ist sich zu artikulieren noch sich zu orientieren.

Dass an Tau dieses Schicksal erspart bleibt, verdankt er seiner außergewöhnlichen Kopfbedeckung. Denn seine Melone besitzt, wie die Hüte und Mützen von Zwergen und Elfen, Zauberkraft. Zweimal mit den Fingern auf den Kopfteil des Hutes getippt und über die Krempe gestrichen, lässt die den Träger auf die Größe einer Barbie-Puppe schrumpfen oder verleiht ihm umgekehrt seine frühere Größe zurück.

 

 

Pan Tau ist wie viele märchenhafte Filmfiguren unsterblich. Ganz im Gegensatz zum Darsteller Otto Simànek, der am 10.Mai 1992 in Prag das Zeitliche segnete. Dennoch gab es zwischen dem Schauspieler und seiner Rolle zahlreiche - wenn auch sicherlich ungewollte - Übereinstimmungen. Diese Symbiose von medialer Realität und wirklichen Leben offenbarte sich letzendlich auch dem Steinmetzen, Bildhauer, Sänger und Gitarristen Hardy Zech, der sich zur Aufgabe machte, den Idolen seiner Kindheit und Jugend Portraitbüsten auf die Gräber zu pflanzen. Als er zum Andenken an seinen geliebten Fernsehstar dessen Grabstätte mit einer Sandsteinskulptur bereichern wollte, musste er feststellen, dass der Schauspieler, ganz im Gegensatz zur Filmfigur, auf Nimmerwiedersehen von der Bildfläche verschwunden war.

 

Ähnlich wie bei Pan Tau weiß man auch herzlich wenig über Otto Simànek, weder wann und wo er geboren wurde, noch wo man ihn bestattet hat. Filmarchive, Fachbibliotheken und auch das Internet können nicht mit zuverlässigen Auskünften dienen. Wie Pan Tau am Ende der Filme sind Otto Simànek und sein Grab einfach weg und unauffindbar. Was geblieben ist, sind technische Bilder, die jedoch nicht den Menschen Otto Simànek zeigen, sondern das von ihm dargestellte Phantom. Immerhin - als Vorlage zur Ausarbeitung des Denkmals reichten sie Hardy Zech aus.

 

Als unerschütterlicher Optimist machte sich der altruistische Darmstädter Denkmalstifter ans Werk und meißelte in zweihundert Arbeitsstunden ein Brustbildnis Pan Taus aus einem Sandsteinblock.Mit freundlicher Unterstützung seiner Bandmitglieder und der Mitarbeiter der Darmstädter Szenekneipe "Goldene Krone" brachte Hardy Zech dann am 23.Juli 1999 zu seiner mittlerweile zweiten Memorialmission auf. Mit dabei war auch der technisch modifizierte Kinderwagen, mit dem Zech ein Jahr zuvor eine Büste zum bewachten Grab des "Doors"- Sängers Jim Morrison auf dem Friedhof Père Lachaise geschmuggelt hatte. In Prag erwartete das Fahrzeug seine Feuertaufe.

 

 

 

Denn schon in Paris gestaltete sich das Unterfangen, einer berühmten Persönlichkeit in althergebrachter Weise am Bestattungsort zu gedenken, schwieriger als erwartet. Diesmal nicht am Einspruch der Friedhofsverwaltung, sondern am mangelhaften Kenntnisstand der Prager Behörden. Niemand wusste, wo Simànek beigesetzt worden war. Somit blieb der sechsundvierzigköpfigen Schar keine andere Wahl, als im zur Verfügung stehenden Zeitraum möglichst viele Friedhöfe auf eigene Faust zu inspizieren, immer in der Hoffnung, durch einen glücklichen Zufall auf das Grab des Schauspielers zu stoßen. Die 68 Kilo schwere Skulptur wurde, ohne Rücksicht auf Fahrgestell und Federung des Kinderwagens, selbstverständlich bei jedem Suchlauf mitgeführt. Letztendlich karrte man das Werk im quietschenden Gefährt zur Akropolis, einer kleinen Kneipe in der Prager Innenstadt.

 

 

 

  In der Erkenntnis, dass auch Wirtshäuser, wie Friedhöfe, Orte sein können, an denen man als einzelner oder im Kollektiv Gedenken öffentlich wahren kann, z.B. an alte Zeiten, in denen alles besser war, und an denen arüber hinaus traditionell Trauerarbeit geleistet wird, z.B. über verlorene Fußballspiele, Benzinpreiserhöhungen und Liebesentzug, entschloss sich Hardy Zech, dem Inhaber die Büste zu vermachen. Dieser zeigte sich hoch erfreut und tief beeindruckt - einerseits von der großzügigen Stiftung, anderseits vom kaum stillbaren Durst, den die Reisegruppe bei ihrer mühsamen Recherche entwickelt hatte. Angesichts des Eifers, mit dem seine Gäste die Wahrung des Andenkens einer International anerkannten tschechischen Schauspielerpersönlichkeit betrieben, wies er der Skulptur einen Ehrenplatz zu. Seit dem denkwürdigen Abend belächelt nun ein verschmitzt blickender Otto Simànek, den kleinen Pan Tau auf seiner Schulter, mit angemessener Zurückhaltung das Treiben des Prager Nachtlebens.

 

                                                        Gerold Eppler

 

 

 

 

 

 

 DARMSTÄDTER ECHO